Die FIRE-Bewegung – ein Kürzel für „Financial Independence, Retire Early“ – hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Für viele Menschen klingt die Idee, die finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen und damit frühzeitig aus dem Berufsleben auszutreten, verlockend, doch auch unrealistisch. Doch mit einem klaren Ziel, durchdachten Strategien und Beständigkeit kann FIRE für viele Menschen erreichbar werden. In diesem Beitrag schauen wir uns genauer an, was es mit FIRE auf sich hat, welche unterschiedlichen Varianten der Bewegung existieren, und welche Schritte dich diesem Traum näherbringen können.
Was bedeutet FIRE und wie entstand die Bewegung?
Der Begriff “FIRE” ist die Abkürzung für „Financial Independence, Retire Early“. Die Grundidee der Bewegung ist es, ein finanzielles Polster aufzubauen. Dieses ermöglicht, vor dem ordentlichen Rentenalter aus dem Berufsleben auszusteigen. Ebendieses Konzept fand besonders in den USA Anklang, wurde aber weltweit bekannt, als die ersten Blogs und Bücher darüber berichteten. FIRE entsprang ursprünglich der minimalistischen Bewegung und der Idee, durch das Senken der Lebenshaltungskosten bei gleichzeitiger Maximierung der Sparquote finanzielle Freiheit zu erlangen. Dabei hat sich herausgestellt, dass mit ein wenig Ausdauer und Beharrlichkeit diese anfängliche Utopie für mehr Menschen möglich ist, als angenommen wird. Deshalb habt die FIRE-Bewegung in den letzten Jahrzehnten Anhänger auf der ganzen Welt gefunden. Diese Menschen wollen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen, um selbst über ihre Zeit zu entscheiden.
Verabschieden sich alle Anhänger der FIRE-Bewegung vollständig aus dem Arbeitsleben? – Die verschiedenen Arten der FIRE-Bewegung
FIRE ist keineswegs eine Einheitslösung – die Bewegung umfasst verschiedene Herangehensweisen. Diese wiederum sind von den jeweiligen Lebenszielen und individuellen Bedürfnissen geprägt.
Einige der bekanntesten Varianten:
Barista-FIRE
Diese Variante spricht Menschen an, die ihren Vollzeitjob aufgeben möchten, sich aber durch Nebenjobs oder Teilzeitarbeit zusätzliches Einkommen sichern. Hierbei geht es weniger darum, komplett aus dem Arbeitsleben auszutreten. Vielmehr geht es darum den Stress eines Vollzeitjobs zu reduzieren und dennoch eine gewisse finanzielle Sicherheit zu haben.
Coast-FIRE
Wer Coast-FIRE anstrebt, legt in jungen Jahren ein finanzielles Fundament. Am Punkt, an dem dieses Geld durch Zinsen und Wertsteigerung wächst, ohne dass neue Ersparnisse nötig sind, ist Coast-FIRE erreicht. Anschliessend steht das monatliche Gehalt zur freien Verfügung, weil man nichts mehr sparen muss.
Der Unterschied gegenüber Barista-FIRE ist folglich, dass Barista-FIRE ein laufendes Teilzeiteinkommen mit gleichzeitigen Ersparnissen kombiniert. Daraus werden dann die laufenden Lebenshaltungskosten zu decken. Wer Coast-FIRE anstrebt, setzt hingegen auf vergangene Ersparnisse für zukünftiges Wachstum.
Fat-FIRE
Diese Variante richtet sich an Menschen, die im Ruhestand einen hohen Lebensstandard aufrechterhalten möchten. Folglich ist das Ziel mit einem “fetten” Finanzpolster in den Ruhestand gehen zu können. Folglich bedeutet dies, dass die notwendigen Ersparnisse höher sein müssen und eine intensivere Planung und höhere absolute Sparbeträge nötig ist. Weil das Sparpotenzial irgendwann ausgeschöpft ist, ist der Schlüssel für diese FIRE-Variante oft die Einkommensmaximierung. Deswegen wird Fat-FIRE oft von Menschen gewählt, die sich auch nach dem frühzeitigen Ruhestand finanzielle Flexibilität für extravagante Reisen, luxuriöse Lebensstile und spontane Ausgaben wünschen.
Lean-FIRE
Lean-FIRE steht für eine minimalistische Herangehensweise an FIRE. Anhänger dieser Variante fokussieren sich auf ein reduziertes Budget und einen minimalistischen Lebensstil. Diese FIRE-Variante wird folglich gewählt, wenn die finanzielle Freiheit möglichst schnell erreicht werden soll. Wenn man nicht bereits sehr minimalistisch lebt, wird der Lebensstandard tendenziell möglichst einfach gehalten, um schneller das benötigte Vermögen aufzubauen.
Die landläufige Meinung ist oft, dass Anhänger der FIRE-Bewegung knausrig sind und auf jeglichen Luxus verzichten. Dies machen sie, um möglichst schnell das Vermögen anzusparen und so nicht mehr arbeiten zu “müssen” – Also Lean-FIRE anstreben. Wie oben erläutert, gibt es mit Fat-FIRE, Barista- oder Coast-FIRE durchaus andere FIRE-Optionen. Bei diesen wird ein grösseres Vermögen und Luxus oder das gleichzeitige Weiterarbeiten angestrebt. Tendenziell verändert sich einfach der Fokus von der Arbeit hin zu einer passenderen Work-Life-Balance.

Wie kann man FIRE erreichen? Braucht man dafür nicht ein Vermögen?
Die Vorstellung, ein Vermögen aufzubauen, um davon für den Rest des Lebens zu leben, wirkt auf viele einschüchternd. Tatsächlich erfordert FIRE eine gute Finanzplanung, eine hohe Sparquote und disziplinierte Investitionen, um das Vermögen immer weiter zu steigern. Aber es gibt eine wichtige Regel, die die Planung erleichtert: die 4%-Regel.
Die 4%-Regel: Wie viel Geld braucht man?
Die 4%-Regel ist eine aus der Trinity-Studie abgeleitete einfache Faustregel. Diese besagt, dass man jährlich 4 % des angesparten Vermögens entnehmen kann, ohne das Risiko einzugehen, dass das Geld vorzeitig ausgeht.
Beispiel: Wer jährlich 40.000 Franken zum Leben benötigt, sollte 1 Million Franken angespart haben (40.000 Franken entspricht 4 % von 1 Million Franken). Multipliziert man die jährlichen Ausgaben mit dem Faktor 25, erhält man grobe Einschätzung, welches Vermögen benötigt wird, um in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu können. Die 4%-Regel basiert auf der Annahme, dass das Vermögen investiert (z.B. in Aktien, Anleihen oder Fonds). Diese Finanzanlagen generieren einerseits Erträge und idealerweise auch Vermögenzuwächse. Zudem sind diese gegen Inflation geschützt.

Die 4%-Regel ist allerdings nur eine Richtgrösse. Denn der Erfolg hängt von mehreren Faktoren. So haben die zu erwartende Lebensdauer, die persönlichen Ausgaben und die Marktbedingungen einen grossen Einfluss. Sie dient jedoch vor allem für FIRE-Neulinge als grobe Orientierung, um zu sehen, welches finanzielle Ziel benötigt wird, um FIRE zu erreichen.
Tipp: Wie erwähnt bietet sich die 4%-Regel an, um zu Beginn der FIRE-Reise ein grobes Zielvermögen zu kalkulieren. Mit zunehmender Erfahrung in der Geldanlage, oder wenn nicht nur in Finanzanlagen (Aktien/Obligationen/Fonds) investiert, bietet es sich durchaus an, die tatsächlich erzielten Renditen zu berücksichtigen. Persönlich erachte ich es zudem sinnvoll, einen gewissen “Puffer” einzubauen, um nicht kalkulierte Ausgaben oder Mindererträge zu berücksichtigen.
Warum den Ruhestand vorzeitig anstreben?
Sind alle Anhänger der FIRE-Bewegung arbeitsscheu? Dies wohl kaum, so gibt es gibt unzählige Gründe, warum Menschen die finanzielle Unabhängigkeit und den frühzeitigen Ruhestand anstreben. Hier einige der häufigsten:
- Mehr Zeit für die Familie:
Viele Menschen möchten mehr Zeit mit der Familie verbringen, um beispielsweise die Kinder beim Aufwachsen zu sehen. Oder auch die eigenen Eltern im Alter zu unterstützen. Der frühe Ruhestand kann mehr Flexibilität bieten, um bei wichtigen Lebensereignissen anwesend zu sein. - Freizeit geniessen, wenn man noch jung ist:
Die Vorstellung, die besten Jahre seines Lebens im Arbeitsalltag zu verbringen und erst im höheren Alter Zeit für Reisen und Hobbys zu haben, motiviert viele, frühzeitig die finanzielle Freiheit anzupeilen. - Mehr Zeit für Gesundheit und persönliches Wachstum:
Der frühe Ruhestand kann mehr Raum schaffen, um auf die eigene körperliche und mentale Gesundheit zu achten. Das können neue Hobbys sein oder sich in etwas weiterzubilden wie beispielsweise eine Sprache zu lernen oder die Zeichenfähigkeiten zu verbessern. - Unzufriedenheit im Job:
Manche Menschen möchten aus der Abhängigkeit von einem Job ausbrechen, der sie nicht erfüllt. Die finanzielle Freiheit eröffnet ihnen die Möglichkeit, sich auf Tätigkeiten zu konzentrieren, die ihren Interessen entsprechen, sodass das monatliche Gehalt nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium bei der Berufswahl ist.
Meine Gründe für den Weg in die finanzielle Freiheit
Die FIRE-Bewegung hat auch mich inspiriert. Ich möchte die Freiheit haben, mein Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Dabei möchte ich meine Zeit bewusst für die Dinge aufwenden, die mir wichtig sind:
- Zeit für die Familie:
Die Möglichkeit, mein Kind aufwachsen zu sehen und im Alltag präsent zu sein. Dies ist für mich von grosser Priorität. Für mich bedeutet es, aktiv und entspannt für die Familie da zu sein, wann immer sie mich braucht. Vor allem die Gelassenheit ist durch meinen doch sehr kopflastigen Beruf nicht immer gegeben. - Zeit für Körper und Geist:
Früher in den Ruhestand zu gehen, würde mir ermöglichen, meinem Körper und meiner geistigen Gesundheit mehr Beachtung zu schenken. Anstatt meine Lauftrainings morgens um 5 Uhr mit Stirnlampe durchzuführen, könnte ich sie bei Tageslicht absolvieren, während meine Tochter in der Schule ist. Zudem hätte ich mehr Zeit für Meditation oder das Erlernen neuer Fähigkeiten – all das kann ich mir im heutigen Arbeitsleben nur begrenzt leisten. - Leben geniessen, solange ich jung bin:
Ich möchte nicht warten, bis ich alt bin, um die Welt zu bereisen oder meine Hobbys auszuleben. Ich glaube, das Leben in vollen Zügen zu geniessen und das zu tun, was mich glücklich macht, ist ein Ziel, das schon heute erreichbar sein sollte. - Zeit für die Eltern:
Ein weiterer wichtiger Aspekt für mich ist, meinen Eltern im Alter zur Seite stehen zu können, wenn sie Hilfe benötigen. Sie haben mich unterstützt und aufgebaut. Deshalb ist mir ein Anliegen, ihnen zur Seite zu stehen, wenn sie mit zunehmendem Alter öfter meine Unterstützung benötigen.
Fazit
Die FIRE-Bewegung bietet eine faszinierende Möglichkeit, sich aus dem traditionellen Lebensmodell zu lösen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ob man nun den minimalistischen Weg von Lean-FIRE, den komfortablen Lebensstil von Fat-FIRE oder eine flexible Variante wie Barista-FIRE oder Coast-FIRE anstrebt – der Weg zur finanziellen Freiheit erfordert Planung, Disziplin und eine klare Vorstellung von den eigenen Zielen. Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist kein einfacher Weg. Denn je nach persönlichen Umständen dauert er unterschiedlich lange. Trotzdem ist es eine spannende Reise hin zu mehr Freiheit und Eigenverantwortung.
Wer den Traum von FIRE ernsthaft verfolgt, übernimmt die Kontrolle über sein Leben und schafft sich den Raum, seine Zeit für die Dinge zu nutzen, die ihm wirklich wichtig sind. Deshalb rate ich: Starte besser heute als morgen mit deiner eigenen FIRE-Reise!